Leseprobe aus "Die Weisheit der Bienen"



Chloé

Ich bin Chloé.

Ich bin Flugbiene.  Ich bin da angekommen, wo alle hinwol-
len – endlich.

Und  ich  kann euch sagen, meine Erwartungen  wurden nicht
enttäuscht. Also,  „Erwartungen“ ist vielleicht zu viel gesagt.
Aber man hört natürlich das Munkeln von der Welt da drau-
ßen. Von den Blumen und Büschen. Von der Sonne und dem
Licht. Von den Farben und Gerüchen und von dem Wind und
dem Regen. Auch Kälte ist ein Thema bei uns.

Da freut man sich unbändig, wenn man selbst endlich losflie-
gen darf!

Und natürlich hat man schon eine Art inneres Bild, weil die
Bienen,  die  hereinkommen,  so  vieles  mitbringen.  In  ihnen
stecken Sonne  und Wärme, und  auch  die Düfte können  wir
aus den Geschmäckern des Mitgebrachten erahnen.

Aber das, was es wirklich bedeutet, hinauszugehen, kann man
vorher nicht erahnen.

Diese Welt ist phantastisch.

Es ist eine Explosion.

Gut,  dass  wir  genau  gesagt  bekommen,  wo  wir  hinfliegen
sollen! Ich wäre sonst an meinem ersten Tag völlig überfor-
dert  gewesen  von  all den Eindrücken! Da  leuchtet  einen so
vieles an und es ist ein solches Summen in der Luft, dass man
kurz innehalten muss, um diesen Moment zu verinnerlichen.

Alles  ist  perfekt  aufeinander  abgestimmt  und  alles  folgt
seiner  Bestimmung. Alles hat eine  so  tiefe  Richtigkeit, dass
es einen tief im Innern berührt. Rausfliegen ist viel mehr, als
Pollen oder Nektar sammeln.

Rausfliegen ist Leben tanken.

Das  gibt  dem  gesamten  Volk  Kraft.  Ich  kann  es  nicht  be-
schreiben – aber wir bringen mehr nach Hause als bloß Spei-
sen. Definitiv. Und wenn ich abends in den Stock zurückkeh-
re,  bin  ich  derart  erfüllt  von  wunderbaren  und  glücklichen
Eindrücken, dass ich davon überlaufe und den anderen gerne
erlauben kann, sich daran  zu  laben. So  bekommen  auch  sie
ein Bild von dem, was draußen auf sie wartet. So geht es in
einem  fort.  Von  Generation  zu  Generation.  Was  mir  Gutes
widerfahren  ist,  kann  ich  getrost  an  die  mir  nachfolgenden
Bienen  weitergeben.  Und  das  hat  nichts  mit  Wehmut  oder
Ähnlichem zu tun. Es erfüllt mich mit Glück.

Rausfliegen ist in keiner Weise anstrengend!

Natürlich – Regen ist sehr erschwerend. Wenn es uns unter-
wegs  erwischt, ist es unangenehm. Aber  meist gibt es einen
Weg zurück. Und wir haben auch eingebaute Regensensoren.
Wir  fühlen  das  Wetter.  Wir  sind  eins  mit  der  Natur.  Wir
haben  uns nie  abgespalten.  Seit  wir  von euch  so  sehr  kom-
merzialisiert  werden,  ist  es  allerdings  auch  damit  etwas
schwieriger geworden. Es ist nicht leicht, verbunden zu blei-
ben, wenn ständig jemand  in den  Ablauf eingreift. Aber wir
schaffen es noch ganz gut. Wenn ich draußen unterwegs bin,
merke ich  davon zumindest  nichts. Da  bin ich ganz bei  mir,
ganz bei der wundervollen Natur.

Ich spüre ihren Atem und fühle ihren Puls und könnte jubeln
vor Glück.

Natürlich  überkommt  mich  auch  mal  Erschöpfung.  Kälte
oder  Durst  verschlimmern  diesen  Zustand.  Gegen  Hunger
habe ich meist etwas dabei. Dass ich nichts zu essen finde, ist
sehr selten. Wobei ich aber feststellen muss, dass das Spekt-
rum  des  Nahrungsangebotes  stark  zurückgegangen  ist.  Der
Klang und die Farbe des Essens sind nicht mehr so vielfältig.
Aber Essen  in  irgendeiner  Form finde  ich  immer,  wenn ich
rausfliege.

Auch da richte ich mich nach dem Rhythmus der Natur. Ich
würde nie im Dunkeln  oder bei Regen losfliegen. Ich  fliege
nur, wenn auch Nahrungsangebot für mich da ist. Hauptsäch-
lich  im  Sommer.  Da  schaffe  ich  es,  am  Tag  etliches  zum
Stock  zurückzutragen.  Werden  die  Tage  kürzer,  wird  auch
meine Zeit zum Fliegen  kürzer.  Ich brauche  dazu eher war-
mes und trockenes Wetter. Sonst sind keine Blüten für mich
bereit.

Mit dem Flugbienesein endet mein Lebenszyklus.

Es  wird  der  Tag  kommen,  an  dem  ich  nicht  in  den  Stock
zurückkehre.

Dafür kann es viele Gründe geben. Es lauern viele Gefahren
für uns in der Welt draußen.

Aber der  wahrscheinlichste  Grund  ist,  dass  meine  Zeit ein-
fach um ist, dass meine Lebenszeit und Lebenskraft zu Ende
gehen und ich eines natürlichen Todes sterbe.

Ohne Unfall oder Aufgegessenwerden.

Die meisten von  uns  dürfen ihren  Lebenszyklus in  Ruhe  zu
Ende bringen.

Verkürzt  wird  er   höchstens  durch  neue  Umwelteinflüsse,
denen  wir  uns  nicht produktiv  entgegenstellen  können.  Wir
arbeiten  an  einer  Anpassung.  Aber  stark  betreute  Völker
haben keine Chance dazu.

Wir  sind  sehr  kluge  Tiere.  Wir  selbst  schaffen  Anpassung
und  züchten  Nachkommen,  die  anpassungsfähiger  sind  als
wir.

Aber uns  werden unsere  Königinnen oder  die entsprechende
Brut geklaut. So können wir es nie zu Ende bringen.

Sanftmütig bis  in  den Tod.  So wollt ihr  uns  haben.  Und  ihr
formt uns nach eurem Gutdünken.

Aber es bringt uns aus dem Takt, und wir verlieren den Halt.

Mein  Eindruck  ist,  dass  die  Generationen  von  heute  insge-
samt kürzer ausfliegen als frühere Generationen. Die Kraft ist
schneller verbraucht.

Aber egal wie kurz oder wie lang dieses Rausfliegen ist – es
ist  das  Schönste,  was  uns  in  unserem  Bienenleben  wider-
fährt!!

Es ist Lohn und Geschenk zugleich und bringt die Motivati-
on, weiterzumachen. Auch für die nachfolgenden Generatio-
nen. Ich liebe es!! !!!!!!

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Blumen

Wir  möchten  euch  jetzt  die  Welt  aus  unserer  Sicht  zeigen.
Öffnet euer Herz, dann  könnt ihr dieses Abenteuer auf einer
tieferen Ebene erleben. Es lohnt sich! Sozusagen eine 3- oder
sogar 4-D-Erfahrung. Hausgemacht.

Es gibt eine Fülle von Blumen.

Jede hat ihre  eigene Farbe, ihren eigenen Klang, ihre eigene
Schwingung und natürlich ihre eigene Energie und ihren sehr
eigenen Geschmack.

Wir wählen sehr bewusst, welche Blumen wir aufsuchen.

Haben wir eine große Artenvielfalt zur Auswahl, wählen wir
gerne  die  Blüte  mit  der  meisten  Energie  oder  der  Schwin-
gung,  die  uns  im  Stock  gerade  fehlt.  Jede  Blume  hat  auch
eine  Art  Heilwirkung  für  uns.  Außerdem  lässt  sich  diese
Energie im Honig und den Pollen konservieren und erhält im
Winter unser Leben auf wundersame Weise.

Es geht fast mehr  um die  Energie,  die  wir  beim Essen  auf-
nehmen, als um die Nahrung an sich.

Ist  die  Blume  gerade  frisch  aufgeblüht  und  noch  voll  mit
Nektar beladen, ist es  fast ein Rausch, auf ihr zu landen. Es
ist fast wie eine Explosion der Sinne.

Wir  geben uns  dem  Rausch aber nicht  hin, sondern  erfüllen
eifrig unser e Aufgabe. Aber unsere Sinne genießen dabei.
Erstrahlen die Farben in der Sonne, tanken wir Licht.

Bringt die Wärme die Blüte zum Klingen, tauchen wir ein in
den Genuss des Duftes.

Und wenn der Wind sie sanft schaukelt, lassen wir uns darin
treiben.

So  wird die  Erfüllung  unserer  Aufgabe,  unserer  Arbeit,  wie
ihr es nennt, zum Genuss. Wir lassen uns all die Zeit, die wir
benötigen,  um  auf  allen  Ebenen  gesättigt  zu  werden.  Was
zeitlich,  je  nach  Tagesverfassung,  sehr  unterschiedlich  sein
kann.

Einen klitzekleinen Teil  des  Nektars  nehmen  wir  direkt  für
uns, aber das meiste tragen wir in den Stock.

Unsere Sinne sättigen wir aber in ausreichender Form.

Haben wir genug von beidem, fliegen wir weiter.

Wir sammeln Pollen und Nektar von verschiedensten Blüten,
bis wir wieder heim zum Stock fliegen.

Und dann beginnt alles erneut.

In den Zeiten der Fülle kann so jede Biene für sich unterwegs
sein und es kommt genug zusammen.

Manchmal allerdings ist ein wenig mehr Struktur und Orga-
nisation  vonnöten.  Dann  fliegen  wir  konzentriert  und  ge-
sammelt Orte an.

Aber auch da kommen unsere Sinne nicht zu kurz. Jede Biene
weiß, dass sie sich selbst auf allen Ebenen gut nähren muss,
um ihre Aufgabe im Gesamtgefüge zu erfüllen.

Eine Blume ist für uns Ausdruck des  Lebens.  Sie ist schön,
flexibel, stark auf ihre Weise und berührt uns tief.
Eine  Blume  erzählt  eine  Geschichte,  schwingt  in  einer  ihr
ganz  eigenen  Weise  und  gibt,  ohne  zu  nehmen.  Und  doch
bekommt sie etwas zurück. So ist das Leben. Öffnest du dein
Herz, vertraust und bietest du dich an, dann wirst du belohnt,
ohne dass es dich Mühe gekostet hätte.

Wir  finden Blumen  phantastisch!  Und das  liegt  ganz sicher
nicht daran,  dass  wir sie  für unser Überleben brauchen. Wir
sehen das anders.

Wir  wissen  genau,  dass  wir  einander  benötigen  –  und  den-
noch zählt für uns in erster Linie die Liebe und der tief emp-
fundene Dank und Respekt füreinander.

Genauso  begrüßt  uns  auch  die  Blume.  Sie  bedankt  sich  für
unseren  Besuch,  denn  sie  betrachtet  ihn nicht  als  selbstver-
ständlich!!

Und wenn du viele Blumen besucht hast, fühlst du dich reich
beschenkt und hast reichlich an sie weitergegeben. Auf einer
ganz  und  gar  immateriellen  Ebene.  Die  materielle  Ebene
existiert bei uns gar nicht. Und das ist ein Segen.


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