Leseprobe aus "Von Hühnern und Menschen"



FRIEDEN
Agnetha

Frieden ist wichtig.

Frieden in Dir und Frieden im Außen.

Leider gibt es beides selten.

Das Außen können wir manchmal nicht so
beeinflussen, und natürlich wirkt sich das auch auf
unseren inneren Frieden aus.

Aber das ist nur ein Faktor.

Die anderen liegen in unserer Hand.

Es fällt uns schwer, zufrieden zu sein und mit uns
selbst Frieden zu schließen.

Ständig stehen wir uns selbst im Weg, finden uns
nicht richtig, meckern an uns rum, machen uns
selbst unglücklich.

Das ist nicht richtig.

Wir sollten uns annehmen mit all unseren Fehlern,
uns als wunderbares, einzigartiges Wesen
betrachten.

Warum fällt uns das so schwer?

Denn wir sind ja eindeutig einzigartige Wesen.

Jeden von uns gibt es nur einmal.

Wir zerfleddern uns in Belanglosigkeiten und
verlieren das Wesentliche aus den Augen.

Die Liebe zu uns selbst. Sie ist unersetzlich.

Ohne sie kommen wir nicht gut zurecht.

Ich habe gelernt, mich selbst zu lieben mit all
meinen Fehlern und Stärken.

Ich kann über meine Schwächen lächeln. Und es
geht mir viel besser seither.

Hat allerdings lange gedauert, das war nicht in
einem Leben zu bewältigen.

Viele von euch verlieren das Ziel aus den Augen,
weil ihnen der Weg so lang erscheint.

Aber das ist verkehrt.

Schon auf dem Weg werden wir reich beschenkt. Es
lohnt sich, ihn zu gehen.

Ich bin froh, dass ich mich aufgemacht habe. Es
macht frei. So wie ich es vorher nie gekannt habe.

Ich möchte euch ermutigen, den inneren Frieden
wieder mehr in den Vordergrund zu rücken. Und
euch dabei nicht von so vielen Dingen ablenken zu
lassen.

Ihr neigt dazu, euch mit Reizen zu überdecken, ja
fast zu ersticken.

Das ist auf diesem Weg sehr hinderlich, denn es
macht weder frei noch glücklich.

Einige von euch haben das bemerkt und sind
bereit, es zu ändern.

Ich kann nur sagen – hört nicht auf und nehmt
andere mit! Sie werden es euch danken.

Zeigt ihnen, wie schön die Welt sein kann, wie
schön man selbst sein kann. In seiner Einfachheit
und Schlichtheit ist vieles Sein am Besten.

Das bringt Frieden. Ihr werdet sehn. Nur wer sich
selbst liebt, kann Liebe weitergeben.

Das birgt den Frieden. Probiert es aus. Der innere
Frieden führt unweigerlich zum äußeren.

Es gehört viel Liebe und Toleranz dazu.

Einige können das besser, andere schlechter.

Ein Gleichgewicht wäre schön.

Ich wünsche es euch. Und uns.

Dankeschön.

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STINKIG
Brunella

Manchmal bin ich stinkig.

Wenn ich nicht früh genug rauskomme zum
Beispiel.

Ich habe meine Zeit nicht zum Vertrödeln.

Wenn das Tageslicht da ist, möchte ich mit meinem
Tun beginnen.

Ich mag es nicht, zu warten.

Ich habe immer viel vor.

Unser Auslauf ist groß, das will alles an einem Tag
erforscht werden.

Da hat sich über Nacht einiges verändert.

Es sind neue Tiere dazugekommen und andere sind
weggegangen.

Blätter liegen anders, Zweige sind abgeknickt oder
ein Stein liegt nicht mehr da, wo er vorher war.

Das will ich mir alles anschauen und richten.

Wir nehmen das, was wir tun, sehr ernst.

Deshalb möchte ich nicht warten, sondern sofort
beginnen.

Ich verpasse 'ne Menge, wenn ich erst so spät
starte.

Die besten Funde macht man in der Früh.

Es ist dann auch ein Wettrennen mit den anderen,
wer es zuerst sieht.

Draußen sein zu können, ist einfach phantastisch.

Ich liebe den Wind und die Sonne. Den Regen nicht
so. Obwohl danach tolle Würmer da sind.

Spatzen mag ich auch.

Sie kommen uns viel besuchen.

Baden in unserem Staub und trinken aus unserer
Tränke.

Aber das macht nichts.

Sie sind nette kleine Kerlchen, da teile ich gerne.

Sie sind lustig und quirlig, es macht Spaß, sie zu
beobachten.

Bei denen ist immer was los.

Sie sind sehr gesellig und auch sehr geschäftig,
genau wie wir Hühner.

Nur ganz so geschwätzig sind wir nicht.

Es ist schön, draußen zu sein und das alles sehen
und erleben zu dürfen! Das macht mein Herz froh
und meine Eier schmackhaft.

Ich gebe sie euch gerne, ich kriege es tausendfach
zurück.

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PROSTITUTION
Ludmilla

Wir alle prostituieren uns auf eine bestimmte Art
und Weise.

Und jeder verurteilt es und macht es im Endeffekt
doch selbst.

Ich spreche natürlich nicht von der Prostitution im
eigentlichen Sinne.

Aber jeder von uns verkauft sich irgendwie – sei es
nun gut für ihn oder nicht.

Manche gaukeln sogar falsche Tatsachen vor.

Bei uns Hühnern ist die Rangordnung ganz
entscheidend.

Ist man nicht ranghoch, muss man sich umso mehr
prostituieren.

Ungeachtet des eigenen Seelenfriedens.

Ihr kennt das auch. Man muss sich anbiedern und
durchbeißen.

Ob es einem schmeckt oder nicht.

Ausnahmen bilden nur die Individualisten. Und im
Grunde genommen machen sie es genau richtig.

Was interessiert uns, was die breite Masse von uns
hält?!

Wofür ist das eigentlich wichtig?

Könnt ihr mir das mal erklären? Wer belohnt uns
dafür, wenn wir uns wider besseren Wissens
anpassen?

Keiner – diese Erfahrung hat wohl auch jeder schon
einmal gemacht.

Vielleicht steigen wir im Rang auf. Aber fühlen wir
uns gut dabei?

Sind wir uns selbst treu geblieben?

Eher nicht.

Der Preis für Erfolg ist manchmal hoch.

Die Selbstprostitution.

Und das sollte man sich gut überlegen.

Am Ende eines Tages sollte man sich immer noch
guten Gewissens in die Augen gucken können.

Seit ich nach diesem Prinzip lebe, komme ich viel
besser klar.

Natürlich habe ich auch mal einen schlechten Tag.

Das ist ja auch normal.

Aber ich gucke dann erstmal bei mir, was eigentlich
los ist und nicht bei den anderen.

Ich projiziere nicht noch mehr auf das Außen oder
biedere mich noch mehr an.

Man muss sich immer selbst treu bleiben. Das ist
nicht immer so leicht. Dafür muss man nämlich
erstmal wissen, wer man selbst eigentlich ist.

Das fällt vielen Menschen ja schon schwer.

Uns Hühnern zum Glück nicht so – nicht weil wir
vielleicht nicht so vielschichtig wären wie ihr. Das
sind wir ganz sicher, ihr glaubt es nur nicht.

Nein – wir ruhen einfach mehr in uns. Sind nicht so
abgelenkt von der lauten Umwelt.

Wir finden mehr zur Ruhe und können uns darauf
konzentrieren, wer wir sind.

Das ist wichtig, um sich nicht selbst zu verraten.

Ihr lebt in dieser schnellen, rastlosen, lauten Welt.
Da ist es nicht leicht zu bestehen, wenn man
Individualist ist oder sogar gegen den Strom
schwimmt.

Aber es ist möglich und am Ende fühlt man sich
besser damit. Das kann ich euch versprechen.

Der Weg ist sicherlich härter, aber auf keinen Fall
schlechter. Ein steiniger Weg ist zwar mühsamer,
aber interessanter.

Und am Ende hat man viel gelernt.

Widerstandskämpfer waren solche Menschen, und
ich habe noch heute Hochachtung vor ihnen.

Sie dürfen nicht vergessen werden.

Sie machen die menschliche Rasse zu etwas
Besonderem.

Mitläufer gibt es überall. Denkt mal darüber nach.

Dankeschön.

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EIER LEGEN
Fortuna

Das Eier legen ist ein zentrales Thema in unserem
Leben.

Wir sind aus eurer Sicht zur Eierproduktion da. Das
ist sozusagen unsere Daseinsberechtigung für euch.

Wir sehen das etwas anders. Das dürfte sich im
Verlaufe dieses Buches ja schon herausgestellt
haben.

Jeder hat seinen Platz in der Schöpfung, und jeder
ist in der langen Kette der Natur für etwas gut.

Ihr habt uns für euch zu dem degradiert, was wir
jetzt sind.

Wir haben durchaus noch mehr Aufgaben und
Nutzen für euch, aber das wird heutzutage leider
kaum noch gesehen.

Nun werden wir in der Regel auch ganz und gar
nicht mehr artgerecht gehalten, so dass wir all das
nicht ausleben können.

Aber im Normalfall tragen wir viel zum
Gleichgewicht in unserer Umgebung bei.

Wir räumen auf, sortieren aus und bereinigen die
Landschaft.

Nicht, wenn wir in kleinen Ausläufen gehalten
werden, logisch. Aber wenn wir genug Platz haben,
ist es so.

Wir reduzieren Ungeziefer und betreiben
natürliche Auslese bei den Pflanzen.

Wir würden niemals von etwas so viel nehmen,
dass es nicht mehr existieren kann – unter
Normalbedingungen. In Gefangenschaft machen
wir alles platt.

Einfach weil ein einzelnes Huhn viel mehr Auslauf
und frisches Grün braucht, als ihr denkt.

Wir brauchen Platz um uns rum, wollen uns nicht in
die Quere kommen.

Ich wollte das einfach einmal erzählen, damit ihr
uns vielleicht ein wenig besser versteht, ich möchte
mich nicht beschweren.

Aber zurück zum Eierlegen.

Ursprünglich diente es unserer Vermehrung.

Aber ihr habt uns und diesen ganzen Prozess
entfremdet und uns von unserer Natur entfernt.

Inzwischen können viele Hühner mit Küken gar
nichts mehr anfangen. Das ist schade.

Ich lege gerne Eier, bei mir tut es nicht weh.

Aber ich weiß, dass es auch andere Fälle gibt, und
dann ist es eine Qual, täglich legen zu müssen.

Ich möchte nur, dass ihr euch dessen bewusst seid
und Eier eventuell etwas mehr achtet, bevor ihr sie
verwendet oder esst.

Wir geben jedes Mal einen Teil von uns.

Und wir müssen legen – ob wir wollen oder nicht.

Wir sind so gezüchtet.

Wir dienen euch und werden selten gesehen.
Deshalb bin ich so dankbar, so unendlich dankbar,
dass es hier anders ist.

Es gibt sie also noch, die Ausnahmen.

Dankeschön.


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